Adele Spitzeder

* 9. Februar 1832, Berlin, heute Deutschland
† 27. Oktober 1895, München, heute Deutschland

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Adele Spitzeder

Adele Spitzeder war eine deutsche Schauspielerin, Betrügerin und Volkssängerin. Sie hat das (wahrscheinlich) weltweit erste aktenkundige Ponzi-System, besser bekannt als Schneeballsystem, aufgebaut und in knapp zwei Jahren tausende Bürger*innen um mehr als 38 Millionen Gulden (heute über 400 Millionen Euro) betrogen.

Im Herbst 1869 war die Schauspielerin völlig mittellos und versprach der Frau eines Zimmermannes zehn Prozent Zinsen im Monat für 100 Gulden und zahlte ihr die ersten beiden Monatszinsen sofort aus. Dies sprach sich schnell herum und bald kamen weitere Bürger*innen, die ihr Geld anlegen wollten. 1869 gründete sie zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Emilie Stier in der Münchner Dachauer Straße die Spitzedersche Privatbank. Diese wurde innerhalb kürzester Zeit vom Geheimtipp zum Großunternehmen – Menschen kamen in Zügen aus dem ganzen Land, um Geld in der sogenannten „Dachauer Bank“ anzulegen.

Auf dem Höhepunkt der “Dachauer Bank“ hatte diese 83 Angestellte – dennoch gab es quasi keine Buchführung. Adele Spitzeder stellte bis zu 1.000 Wechsel pro Tag aus; die Menschen brachten ihr täglich mehr als 100.000 Gulden. Da es bisher kein Kreditwesengesetz und keine Finanzaufsicht gab, konnte Adele ihrem „Geschäft“ relativ ungestört nachgehen.

Im Herbst 1872 organisierten ihre Gegner 60 Gläubiger, die sich zeitgleich ihre Gelder von der „Schwindelbank“ auszahlen lassen wollten. Dies führte zum Zusammenbruch der Bank. Adele Spitzeder war insolvent und wurde am 12. November 1872 wegen des Vorwurfes des Betruges verhaftet. Der Insolvenzverwalter fand Vermögenswerte, die nur 15 Prozent der Forderungen ausmachten. Einige Bürger*innen begingen Suizid. Auch Gemeinden waren ruiniert. Parallel dazu stürzten Bankensystem und Wirtschaft in die Gründerkrise, als deren Teil der Spitzeder-Bankrott gilt.

Adele Spitzeder wurde vor Gericht gestellt und nach zehnmonatiger Untersuchungshaft wegen betrügerischem Bankrott zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Während ihrer Zeit im Gefängnis schrieb sie ihre Memoiren, die sie 1878 veröffentlichte.

Am 27. Oktober 1895 starb Adele Spitzeder im Alter von 63 Jahren in München an Herzversagen. Adele Spitzeder war lesbisch.

 

"Mein Gewissen war rein,
ich war mir keiner Verschleppung bewußt,
die mir ebenfalls zur Last gelegte mangelhafte Buchführung
konnte mir, als einem Weibe,
doch auch nicht als Verbrechen angerechnet werden"
Adele Spitzeder

Daniel von Alkier

Daniel von Alkier

Daniel von Alkier studiert Freie Kunst in der Klasse für Malerei und Zeichnung bei Katrin Plavčak an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Zuvor schloss er sein Studium der Kunstgeschichte an der Universität Stuttgart ab.

Zu Beginn der Corona-Pandemie stellte sich für den Künstler die Frage nach einer Alternative zur Arbeit im Atelier der Akademie. Material sowie der Platz für die Malerei, wie er sie bis zu diesem Zeitpunkt betrieb, fehlten im häuslichen Umfeld, sodass eine weniger aufwändige Technik gefragt war. Die Lösung befand sich ungenutzt in einer Schublade: Linolschnitt-Werkzeug.

Innerhalb von eineinhalb Jahren entstand die 100-teilige Serie „Epos“, bei der im Postkartenformat die Eindrücke der Zeit, aber auch das Arbeiten mit der neuen Technik an sich thematisiert wurden. Nach der Rückkehr ins Atelier an der Akademie begann er dann die Grenzen der Technik weiter erkundet werden, was am Ende zu einem malerischen Umgang mit der Grafik im Mittel- bis Großformat in Form von Druckcollagen führte.

Während dieser Zeit entstanden auch die Linolschnitte zu Hans Scholl und Adele Spitzeder. Bereits als die ersten Motive des „Epos“ entstanden, setzte sich Daniel von Alkier, selbst ein queerer Künstler, mit Queerer Sichtbarkeit auseinander, und als das Projekt 100% MENSCH auf ihn zukamen, fiel schnell der Entschluss, ein Teil der Ausstellung zu werden. Hans Scholl weckte, als bekannter Name der deutschen Geschichte, zuerst das Interesse. Trotz Scholls Bekanntheit, war dem Künstler der queere Hintergrund Scholls unbekannt, weshalb er sich dazu entschloss für die WAPOC ein Portrait des Widerstandskämpfers zu fertigen. Zum Linoldruck kam hierbei noch Digitaldruck hinzu, mit dem der Hintergrund für das Portrait hergestellt wurde. Um den Kopf herum und durch die freien Flächen des Linoldrucks erkennt man die Flugblätter der Weißen Rose als Faksimile.

Adele Spitzeder war dahingegen ein eher unbekannterer Name, doch ist sie nicht weniger interessant. Die lesbische Frau installierte das weltweit erste dokumentierte Ponzi-System. Ein Schneeballsystem mit hohen Zinsversprechung und betrog so zahllose Menschen in München und Umgebung um einen Betrag von heute umgerechnet fast 400 Millionen Euro. Ihre Opfer stammten dabei vor allem aus den ärmeren Schichten. Ihr Betrug war einer der Auslöser der Gründerzeitkrise und mit ursächlich für die Installation der Bankenaufsicht.

ie Vita Adele Spitzeders weckte, trotz des verbrecherischen Tuns, das Interesse Daniel von Alkiers und er beschloss nach Hans Scholl auch Adele Spitzeder ein Portrait für WAPOC zu widmen.

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